Block XV der Kursreihe "Frühe Musik der Hohen Stände" - Codex Panciatichi (Trecento)

Inzwischen liegt der 3. Zusatzblock der Fortbildungsreihe "Frühe Musik der Hohen Stände" bereits eine Weile zurück (30. Mai-1. Juni). Dennoch möchte ich einen kurzen Bericht über die Arbeit auf Burg Fürsteneck geben, um zu zeigen, wie die Studien fortschreiten und die Ergebnisse immer reifer werden:
Block XV: "Der Codex Panciatichi - Trecento Revisited"
Diese 3-Tages-Einheit widmeten wir der Epoche des italienischen Trecento (14. Jh.) am Beispiel eines der Hauptcodices für die Musik dieser Epoche, dem Codex Panciatichi. Der erste Tag, ein Praxistag, war wieder der Ensemblearbeit gewidmet. In 2 Ensembleklassen arbeiteten wir an Stücken, die die Teilnehmer aus dem Faksimile des Codex übertragen und erarbeitet hatten. Dabei kamen typische Stücke des Trecento zu Gehör, aber auch einige Stücke der französischen Ars Nova, die sich im gleichen Codex befinden. Das Niveau war durchgehend ziemlich hoch und es gab ausgesprochen schöne und anspruchsvolle Interpretationen zu hören. Die Abendveranstaltung bestand zunächst aus der kleinen Preisverleihung für die gelösten Mittelalterkreuzworträtsel, die ein halbes Jahr zuvor verteilt wurden. Dann gab es eine Lesung aus Dante Alighieri's "Commedia" (von Boccaccio "Divina" getauft) - mit Übersetzungen einiger "Gesänge" daraus. Wir lasen dann in Zusammenfassungen durch den gesamten ersten Teil der "Commedia", der Hölle (inferno), begleitet von Illustrationen aus einer illuminierten Dante-Handschrift des frühen 15. Jhs.
Am zweiten, dem "Theorietag", widmeten wir uns der Struktur des Codex Panciatichi, um zu zeigen, wie die verschiedenen Schichten mit unterschiedlichen Repertoires eingetragen wurden und was sie charakterisiert, auch, zu welchen Zwecken die Sammlung vielleicht erstellt wurde, und wie sie mit Florenz in Verbindung steht.
Danach widmeten wir uns den verschiedenen Notationsarten, die im Codex zu finden sind, und vollzogen nach, wie italienische und französische Notation auf kreative Weise eingesetzt werden, um die satztechnischen und stilistischen Besonderheiten der Kompositionen abzubilden. (Z.B. Francesco Landini-Stücke, die häufig in französischer Notation niedergeschrieben sind, weil sie auch satztechnisch Nähe zum frz. Stil aufweisen, Trecento-Stücke, die mit frz. Mitteln notiert werden, trotzdem aber die typischen ital. "Divisiones" darstellen, reine Trecentonotation, allerdings "verdeutlicht", etc.) Sodann machten wir ein paar Übungen im rhythmischen Wechsel von Divisiones und Blattleseübungen vom Original. Schließlich trennten wir uns in mehrere Gruppen: Eine Reihe von Leuten versuchte sich in modalen, einstimmigen Übungen mit Marc Lewon, die v.a. auch das Gedächtnis trainieren sollen - im Endeffekt wurde versucht, eine einfache Estampie im Kopf zu improvisieren. Uri Smilansky leitete eine Gruppe darin an, über einen gegebenen cantus firmus eine schlichte Gegenstimme im Kopf zu planen und dann zu improvisieren, bzw. auszuzieren - Mehrstimmigkeit "super librum". Weitere kleine Gruppen erhielten Blattleseübungen aus dem Codex Panciatichi und versuchten, die Kompositionen vom Blatt zu rhythmisieren und zu singen.
Die anschließende Abendeinheit war wieder dem (neben Petrarca und Boccaccio) bedeutendsten Trecento-Schriftsteller Dante gewidmet: Wir lasen in einer Zusammenfassung den 2. und 3. Teil der "Commedia" - Läuterungsberg und Himmel (purgatorio, paradiso) - wieder mit an die Wand geworfenen Illustrationen aus der Handschrift. Abschließend hörten wir zwei "Cantos" aus dem Original auswendig rezitiert von Benigni über DVD-Einspielung, was alle Teilnehmer sehr faszinierte und vorführte, welche Kraft Dantes Sprache hatte. Dantes Bezüge zur Musik seiner Zeit sahen wir einerseits ein seinen Zitaten von Trobador-Versen, die in der "Commedia" enthalten sind, sowie der Trobador- und anderer Dichterfiguren, die er auftreten läßt, sowie in der Rezeption von Dantes Inhalten und einzelnen Versen in Trecento-Kompositionen (wie dem "Aquila altera"). Wir danken Nicoletta Gossen, die uns einige wertvolle Materialien für diese Einheit an die Hand gegeben hatte.
Ziel der Abendeinheiten in diesem, dem "Verlängerungsjahr" ist es, bestimmte Glanzlichter der Literatur der jeweiligen Epoche in Auszügen oder Überblicken vorzustellen, um den Blick von der Musik auf die Kulturepoche zu weiten und ein besseres Gefühl für den gesamten Stil zu vermitteln. Jeder der Teilnehmer kannte die "Commedia" Dantes vom Begriff her, aber keiner kannte den genauen Inhalt. Nun sind alle einen Schritt weiter.
Der dritte Tag war wieder ein Praxistag und wir arbeiteten sehr intensiv in zwei Ensembleklassen an weiteren Stücken aus dem Codex Panciatichi. Dabei gingen wir zunehmend und stärker in die Tiefe als bislang und die Ergebnisse werden hörbar immer besser. Einige Aufführungen erlangten Konzertreife.
Inzwischen arbeiten wir auch auf ein Abschlußkonzert zu, das am 25.2.2012 im Saal von Burg Fürsteneck gehalten werden soll und vom DeutschlandFunk mitgeschnitten werden wird.
Der nächste und vorletzte Block des Verlängerungsjahrs, findet vom 15. bis 17. August 2011 statt und ist der weltlichen Einstimmigkeit gewidmet, ganz besonders den Repertoires der Trobadors und Trouvères (die Minnesänger nehmen wir am Rande auch noch mit).